Dieser Tage hieß es in einer Mitteilungs-Drucksache des Altonaer Bauamtes: "Die Befreiungen für das Überschreiten der Traufhöhe von 7,50m um (!) 8,50m auf 16 m sowie die Überschreitung um 2 Vollgeschosse auf 4 Vollgeschosse + Staffelgeschoss sind aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich, da zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird." Natürlich nicht, weil es den Investoreninteressen dient, sondern dem Wohl der Allgemeinheit dient.
Am 30.4.18 hat das Altonaer Rechtsamt erklärt "Das Bürgerbegehren zur Rettung des erfolgreichen Bürgerbegehrens 'Spritzenplatz bleibt - unser Platz an der Sonne!' wird als unzulässig zurückgewiesen."
In der Begründung heißt es, dass Bürgerbegehren im allgemeinen "einerseits - z.B. im Hinblick auf die Fassadengestaltung, die Höhenentwicklung und die Anordnung von Gewerbeflächen - gewisse Variationsmöglichkeiten zulassen, schließen aber gewisse Festlegungen wie z.B. eine Traufhöhe von mehr als 7,50m oder eine Firsthöhe von mehr als 11m aus." Denn, das dient ja nicht dem Wohl der Allgemeinheit. Woher sollten die Bürger in einem Bürgerbegehren oder Bürgerentscheid auch wissen, was dem Wohl der Allgemeinheit dient. Das kann nur das Amt, denn "die Fragestellung des Bürgerbegehrens verstößt gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Abwägungsgebot aus §1 Abs.7 Baugesetzbuch. Danach sind bei der Aufstellung der Bebauungspläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen."
In dem zunächst oben genannten Fall, der nur einer von vielen ist, wurde nach so einem Abwägungsprozess ein Bebauungsplan mit den genannten Festsetzungen festgestellt und nun unter Berufung auf das Wohl der Allgemeinheit mit einem Federstrich vom Amt in die Tonne getreten, wobei die Blockparteien SPD/Grüne/CDU wie stets ihren Segen dazu geben, wenn es der Investor denn so wünscht.
Im Baugesetzbuch heißt es dazu im §31 "Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern." Wenn eine Bebauungszulässigkeit um 100% überschritten wird, sind die Grundzüge der Planung natürlich nicht nur nicht betroffen, sondern geradezu auf den Kopf gestellt. Aber wenn's denn dem Wohl der Allgemeinheit dient, ringen sich das Amt und die Politik schon einmal durch, solche Entscheidungen schweren Herzens zu treffen.
So auch im Fall des Bahrenfelder Forsthauses, das als öffentliche Grünfläche mit der Festsetzung Ausflugslokal ausgewiesen war und nach seiner bis heute unaufgeklärten professionalen Abfackelung plötzlich per Befreiung vom Baurecht für eine 6geschossige Wohnbebauung freigegeben wurde.
Ein ganz anderer Fall ist die Variantenprüfung des Eisenbahnbundesamtes in Sachen Verlegung des Altonaer Bahnhofs nach Diebsteich. Dort heißt es doch tatsächlich: "Aus Umweltsicht ist die Variante 2, Ausbau Kopfbahnhof zu bevorzugen. Mit dieser Variante wird jedoch das Planungsziel nicht erreicht Da mit dieser Variante die Planungsziele der Vorhabensträgerin nicht erreicht werden können, wurde diese Variante nicht weiter betrachtet."
Das ist Abwägung in einer sehr kreativen Auslegung. Die Deutsche Bahn AG als Vorhabensträgerin will den Bahnhof verlegen, weil der Neubau vom Bund bezahlt werden muss, während sie die Neugestaltung des jetzigen Kopfbahnhofes selber bezahlen müsste. Daraufhin sagt das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde: ja, wir haben auch die von der Bevölkerung gewünschte und aus Umwelt- und Verkehrssicht einzig vernünftige Variante des Standortbeibehalts mit Erneuerung geprüft, aber nicht weiterverfolgt, weil die Vorhabensträgerin daran kein Interesse hat.
Eine solche schwerwiegende Abwägung bleibt uns beim Spritzenplatz jetzt erspart, denn das Amt hat sich schon mit dem Investor und der Mehrheitspolitik abgewogen, und eine Brandstiftung ist in diesem Fall auch gar nicht mehr nötig.