Initiativen Altona
Als Anfang der 2000er Jahre auf Be treiben von Mehr Demokratie in Hamburg die sog. Volksgesetzgebung mit einer weitgehenden Veränderung des Wahlrechts durchgesetzt wurde, keimte in Altona die Hoffnung auf, dass man mittels Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden etwas von der verlorengegangenen Eigenständigkeit zurückgewinnen könnte. War doch in der Nazi-Zeit 1938 der bis dahin selbständigen Großstadt Altona durch die Schaffung der Hamburger Einheitsgemeinde ihr Selbstbestimmungsrecht vollständig entzogen worden. An diesem Zustand änderte sich auch nach dem Krieg nichts. Alle Senate, ob SPD- oder CDU-geführt, behielten die Regelung bei, dass die Bezirke lediglich ein Empfehlungsrecht hätten, die Entscheidungsgewalt über alle wirklich wichtigen Fragen aber allein beim Senat und seinen Fachbehörden liegen solle. Das bedeutete, dass die vom Grundgesetz festgeschriebene Dreigliedrigkeit der Entscheidungsebene - Bund, Länder, Kommunen - in Hamburg außer Kraft gesetzt wurde, indem die kommunale Selbstbestimmung der Bezirke auf die Landesebene verlagert wurde, so dass den Bezirken und ihren gewählten politischen Vertretungen - den Bezirksversammlungen - lediglich ein Vorschlagsrecht blieb, das jederzeit vom Senat evoziert, d.h. bezüglich der Entscheidungsgewalt an sich gezogen werden konnte.

Im Zuge der durch Mehr Demokratie in der Hamburgischen Verfassung verankerten Rechte, durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf der bezirklichen Ebene etwas verbindlich durchsetzen zu können, startete die Bürgerinitiative zum Erhalt des einzigartigen Jugendstil-Bades ( Unser Bismarckbad bleibt! ) 2004 eines der ersten Bürgerbegehren in Hamburg. Dieses Bürgerbegehren wurde von der Altonaer Bezirksversammlung nicht übernommen, so dass es zu einem Bürgerentscheid kam, in dem alle wahlberechtigten Altonaer BürgerInnen in Gestalt einer Wahlunterlage die Argumente pro und contra der Bürgerinitiative und der Bezirksversammlung mit den Abstimmungsbriefen zugeschickt bekamen. 80% der sich an der Abstimmung beteiligenden AltonaerInnen votierten für den Erhalt des Bades. Die Bürgerinitiative, zu der der Autor dieser Zeilen als Vertrauensmann des Bürgerentscheides gehörte, war in Hochstimmung, dachte sie doch, damit das Bad gerettet zu haben. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens war gewesen: Sind Sie dafür, dass durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes der Standort Schwimmbad an seinem jetzigen Standort am Altonaer Bahnhof gesichert wird? Nun war das Bezirksamt nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid verpflichtet, einen dem entsprechenden Entwurf eines Bebauungsplanes zu erstellen, musste ihn aber entsprechend der Hamburgischen Einheitsgemeindeverfassung den Fachbehörden des Senats zur Zustimmung, der sog. Grobabstimmung vorlegen. Diese schüttelten den Kopf und zeigten mit dem Daumen nach unten, woraufhin das Bismarckbad im Februar 2006 abgerissen wurde. Bis heute wird uns immer wieder vorgehalten, dass es sich bei diesem Vorgang nicht um eine Evokation, sondern um ein ganz normales Verfahren bei der Grobabstimmung zwischen dem Bezirk und den Fachbehörden des Senats gehandelt habe.

In den darauffolgenden Jahren kam es zu diversen Bürgerbegehren, die durch Ablehnung durch die Altonaer Bezirksversammlungsmehrheit in Bürgerentscheide mündeten, die stets mit einer überwältigenden Mehrheit ausgingen und dennoch für ungültig erklärt wurden, weil sie gegen gesetzliche Vorgaben des Baurechts verstoßen hätten, nachdem sie zuvor bei der Anmeldung vom Rechtsamt des Altonaer Bezirksamtes für zulässig erklärt worden waren. Bekannteste Beispiele sind die Bürgerentscheide zum Erhalt des Buchenhofwaldes in Iserbrook und gegen die Zeise-2-Bebauung mit dem jetzigen Gewerbeklotz an der Friedensallee/ Behringstraße. Bei diesem Bauvorhaben hatte es eine planungsrechtliche Ausweisung als Gewerbegebiet gegeben. Nachdem seit dem Abriss der Fabrikhalle das Gelände 30 Jahre für eine neue Gewerbeansiedlung nicht genutzt werden konnte, hatte man sich unter Zustimmung aller in der Altonaer Bezirksversammlung vertretenen Parteien für eine Wohnbebauung ausgesprochen und einen diesbezüglichen Architektur-Wettbewerb durchgeführt. Plötzlich kam im Zuge der Olympiabewerbung Hamburgs durch den Senat der Wunsch der mit der Bewerbung betrauten Firma auf, ihre Arbeitsplätze von der sterilen Hafencity in das quirlige Ottensen zu verlegen. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid wurden vom Tisch gefegt, weil die planungsrechtliche Ausweisung ja Gewerbe vorsehe. So what?

Weitere krasse Beispiele sind die Evokation bzw. Unzulässigkeitserklärung der Bürgerbegehren gegen eine Innenhofbebauung in Bahrenfeld (bekannt geworden unter dem Namen Bahrio 68) oder zur Rettung des erfolgreichen und sogar von der Bezirksversammlung Altona übernommenen, aber nicht umgesetzten Bürgerbegehrens zu einer Neubebauung des Spritzenplatzes/Ottenser Kreuzes. Dies sind Varianten der Evokation, die mal so und mal so ausgelegt und begründet werden. Die Krönung der Vorgehensweisen war dabei das Umgehen mit dem erfolgreichen Altonaer Bürgerentscheid zur Verbindlichmachung von Bürgerentscheiden, was eine Außerkraftsetzung der Einheitsgemeinde bedeutet hätte. Dieser Bürgerentscheid wurde als Empfehlung des Bezirks Altona, denn erfolgreiche Bürgerentscheide sind gleichbedeutend mit Beschlüssen der Bezirksversammlung, von der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft dankend zur Kenntnis genommen, abgeheftet und seit nunmehr 4 Jahren nicht weiter beachtet oder gar berücksichtigt. Nun stellen sich manche die Frage, warum wir unter diesen Umständen immer noch und immer wieder auf das Instrument der Bürgerbegehren/Bürgerentscheide setzen.

Wir wissen, dass ohne eine Änderung der unserer Meinung nach grundgesetzwidrigen Hamburgischen Verfassung, die die dreigliedrige Entscheidungsmacht außer Kraft setzt, kein kommunales Selbstbestimmungsrecht möglich sein und durchgesetzt werden kann. Alle Bürgerbegehren/Bürgerentscheide, die nicht senatskonform waren, wurden seit Einführung dieses Instrumentariums auf die eine oder andere Weise kassiert. Wir befürchten, dass sich die dadurch hervorgerufene Politikverdrossenheit nicht dahingehend äußern wird, dass die Forderung nach wirklicher Bürgerbeteiligung und kommunaler Selbstbestimmung stärker und deutlicher vorgetragen wird, aber wir geben die Hoffnung nicht auf und werden alsbald das nächste Bürgerbegehren starten.
Robert Jarowoy
Journalisten stehen um den Linke-Politiker Robert Jarowoy (Mitte) bei einer Protestaktion am Mittwoch im Volkspark Altona in Hamburg. (Quelle: Bodo Marks/dpa)