Seit 40 Jahren ist der 64-jährige Initiativenaktivist in Ottensen, seit zehn Jahren Vorsitzender der Linksfraktion in der Altonaer Bezirksversammlung mit dem Schwerpunkt Stadtplanung, Bauen und Flüchtlinge. Weitere Schwerpunkte, für die er immer und überall eingetreten ist und eintritt, sind eine konsequente Friedenspolitik ohne Auslandseinsätze der Bundeswehr, soziale Gerechtigkeit ohne Hartz IV, aber mit Vermögens- und Spekulationssteuer, sowie eine wirkliche Stärkung kommunaler Rechte und von Bürgerrechten statt einer immer stärkeren Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse.
Robert Jarowoy hat eine Reihe Krimis geschrieben, in denen er seine Erlebnisse in der Altonaer Kommunalpolitik ironisch verarbeitet hat.
In den 1970er-Jahren saß Robert Jarowoy als anarchistischer Gewalttäter im Gefängnis – jetzt will er für Hamburg-Altona in den Bundestag.
Hat keine Angst vor der Demokratie: Robert Jarowoy Foto: Miguel Ferraz
taz: Herr Jarowoy, was soll aus Altona werden, wenn Sie im September in den Bundestag gewählt werden?
Robert Jarowoy: Das ist ja eigentlich völlig ausgeschlossen. In Westdeutschland ist noch nie jemand von der Linken irgendwo direkt gewählt worden. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit nicht besonders groß.
Warum haben Sie sich denn überhaupt aufstellen lassen?
Ich hoffe, dass ich als ein nicht ganz unbekanntes Gesicht neben den Stimmen für mich auch ein paar zusätzliche Zweitstimmen für unsere Partei mobilisieren kann. Als Internationalist und als Kommunalpolitiker denke ich, dass, wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, ich auch in Berlin einiges bewegen könnte. Sehr zu meinem Leidwesen ist die kommunale Ebene in Hamburg in die Landesebene eingegliedert. Die Bezirke haben hier nur ein Empfehlungsrecht. Das zu ändern und das von unten kommende Kommunale zu stärken, wäre mein größtes Anliegen.
Warum stecken Sie so viel Energie in die Bezirkspolitik, wenn man dort so wenig ausrichten kann?
In der Tat stößt man leider immer an seine Grenzen. Es ist unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen nicht möglich, auf Bezirksebene etwas zu beschließen, was gegen die Entscheidungen des Senats Bestand hat.
Ein Beispiel?
Einen aktuellen Fall haben wir zwischen der Stresemannstraße und der Leverkusenstraße, da gibt es eine Blockrandbebauung aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Dort will einer der Eigentümer im Innenhof drei fünfgeschossige Wohnblöcke hochziehen. Dagegen haben die Anwohner ein Bürgerbegehren gestartet, welches nur einen Tag später vom Senat evoziert – und damit in die Tonne getreten wurde. Wir als Linke unterstützen solche Bürgerbegehren.
Aber Bürgerbegehren stellen sich meist gegen Veränderungen. Hätten fortschrittliche Ideen so überhaupt eine Chance?
Nehmen wir mal den Wohnungsbau, für den wir ja auch sind, wenn er machbar und sinnvoll ist. Das Problem ist nur, dass ein Wohnungsbau, wie er im Baugesetzbuch Anfang der 60er-Jahre eingeführt worden ist, mit einer Beteiligung der Öffentlichkeit und Berücksichtigung vielfältiger Belange aus dem Umweltschutz, Verkehr usw. von Olaf Scholz aufgegeben wurde. Ich frage mich, warum stockt man keine Häuser in den Elbvororten auf, aber im Schanzenviertel und in Ottensen baut man acht Geschosse, wo nur vier vorgesehen sind. Solche Bauvorhaben werden in geheimen Sitzungen des Bauausschusses einfach durchgewunken.
In diesen Sitzungen sind Sie in Altona seit zehn Jahren dabei. Wenn die geheim sind, dürfen Sie mit mir überhaupt darüber reden?
Nicht über konkrete Vorhaben.
Und warum nicht? Jetzt werde ich neugierig …
Das wird mit Datenschutz und dem Schutz der Investoren begründet. Dass alles von vornherein grundsätzlich vertraulich ist, das gibt es in dieser Form auch nur in Hamburg. Und dass über alles erst geredet werden kann, wenn es zu spät ist.
Wenn Sie schon so lange dabei sind, haben Sie sich an diese Praxis gewöhnt?
Nein, überhaupt nicht. Ich rege mich jedes Mal auf. Im Moment zum Beispiel über zwei Pappeln in Ottensen. Die sollten abgesägt werden, damit dort ein paar Fahrradbügel installiert werden können.
Das sind ja krachlokale Angelegenheiten. Ist es nicht schwierig, für solche Themen Leute, zumal jüngere, zu erwärmen?
Es gibt ja auch noch andere Dinge. Ich habe mich etwa dafür engagiert, das Camp im Volkspark zum G20-Gipfel zu ermöglichen.
Sie haben das Camp angemeldet.
Ich war einer der Anmelder. Da waren sehr viele junge Leute engagiert. Aber an sich ist Kommunalpolitik eher was für ältere Leute. Die wollen sich ihr Nest erhalten. Angesichts der ganzen Mobilität wissen junge Leute ja noch gar nicht, wo sie landen werden, sie sind eher interessiert an globalen Themen. Mir liegt beides am Herzen.
Wie würden Sie Ihre Rolle als Politiker beschreiben?
Ich bin eine Art Mittler. Weil ich die Informationen früher kriege, kann ich mit den Betroffenen vor Ort ins Gespräch kommen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den anderen Parteien?
Ich sieze sie alle. Auch wenn sich alle anderen untereinander duzen. Aber selbst nach zehn Jahren geht mir das nicht über die Lippen.
Die Rote Flora liegt in Altona. Wie stehen die Bezirksparteien zur Frage, ob die Flora geräumt werden soll?
Wir haben jetzt parlamentarische Sommerferien. Aber im Vorfeld war die Stimmung mit Ausnahme der Linken und der FDP einhellig gegen Camps, sie sahen in ihnen eine Brutstätte gewaltbereiter Leute, was erst recht für die Flora gelten dürfte.
Waren Sie als Anmelder des Camps selbst in der Schusslinie?
Selbstverständlich. Herr Hielscher von der CDU wollte mich schon für alle Schäden, die aufkämen, persönlich haftbar machen. Es gab bisher ein Treffen direkt nach G20 mit den Fraktionsvorsitzenden, der Bezirksamtsleiterin und der Polizei. Da blieben aber alle Fragen offen. Zum Beispiel, warum die Polizei 55 Minuten brauchte, um hinter den Leuten, die in Altona eine Spur der Verwüstung hinterließen, herzukommen. Stellen Sie sich das mal vor: Da sind 13.000 Polizisten im Einsatz und man lässt diese Leute 55 Minuten lang in Altona Autos anzünden.
Wie werten Sie dieses Nichthinterherkommen?
Ich glaube nicht, dass die Polizei überfordert war, sondern dass das gewollt war und dass die Polizei ihr unsägliches Verhalten bei der „Welcome to hell“-Demo, wo sogar Medien wie der NDR sehr negativ über das Vorgehen der Einsatzkräfte berichteten, nachträglich legitimieren wollte und die Bilder produziert hat, die man dafür brauchte.
Sie haben ja eine bewegte politische Vergangenheit. Vor 40 Jahren, im Deutschen Herbst, wurden Sie als Aktivist der Bewegung 2. Juni verhaftet. Wie landet jemand wie Sie in einer Bezirksversammlung, ist das als ein Bruch zu verstehen?
Nein, das ist überhaupt kein Bruch. Vieles, was ich als junger Mensch gemacht habe, würde ich heute nicht wiederholen. Aber ich stehe zu meiner Geschichte. Ich saß von 1973 bis 1979 als anarchistischer Gewalttäter im Gefängnis. Seit 1980 bin ich in der Kurdistan-Solidarität aktiv. In Kurdistan wird versucht, ein basisdemokratisches rätekommunistisches Gesellschaftsmodell aufzubauen. Die Geschlechter, ethnische und religiöse Minderheiten sind gleichberechtigt. Das ist ein Gesellschaftsmodell, wie ich es mir wünsche, seit ich 16 bin.
Das heißt, Sie haben angesichts von Pegida und Co keine Angst vor der Demokratie?
Die Gefahr besteht immer. Auch bei Bürgerbegehren kann es immer anders laufen als man das möchte. Das ist auch für uns als Linke eine große Herausforderung. Aber wir können ja nicht schon vorher sagen, dass alles schief geht. Es hängt von uns ab, auf die Leute zuzugehen und sie zu gewinnen.
Im Interview: Robert Jarowoy
64, ist auf einer Hühnerfarm in Gauchsmühle bei Nürnberg geboren und studierte Philosophie und Geschichte. Er wurde als 20-Jähriger als anarchistischer Gewalttäter im Zusammenhang mit der Bewegung 2. Juni verhaftet.
Inhaftiert war Jarowoy von 1973 bis 1979, davon vier Jahre in Isolationshaft. Seit 1980 lebt er in Altona.
Mitte der 90er-Jahre war er fast zehn Jahre lang Geschäftsführer der Stadt-Land-Genossenschaft, einem regionalen Lieferverbund einer Gruppe ökologisch wirtschaftender Bauernhöfe.
Seit 2008 ist er in der Bezirksfraktion der Linken in Hamburg-Altona. Jetzt kandidiert er für den Bundestag.
Jarowoy, 1952 in der Nähe von Nürnberg geboren, lebt seit 30 Jahren in Ottensen. Seit 2008 ist er in der Bezirksversammlung Altona und Fraktionsvorsitzender der Linkspartei. Jarowoy ist Bio-Käsehändler und Autor mehrerer AItona-Krimis.
Wenn Sahra Wagenknecht optisch an Rosa Luxemburg erinnert, dann sind Sie ein Karl Marx auf Bezirksebene. Ist dieser Eindruck beabsichtigt?
Unsere Bezirksamtsleiterin hat mich schon mit „Herr Szczesny“ angeredet — dann möchte ich doch lieber Karl Marx ähnlich sehen und in seiner Denkweise handeln. Allerdings wollte ich immer nur ich selber sein und bin es, glaube ich, auch stets gewesen.
Aus welchen Erfahrungen speist sich Ihr politisches Engagement?
Politisiert hat mich die sogenannte 68er-Bewegung und der Protest gegen den Vietnam Krieg. Später war ich in vielen stadtteilbezogenen Bürgerinitiativen und insbesondere und von ganzem Herzen in der Kurdistan-Solidarität aktiv.
Die Möglichkeiten der Bezirksversammlung sind begrenzt. Was motiviert Sie‚ trotzdem die vielen, oft mühsamen Sitzungen auf sich zu nehmen?
Der Wunsch, Altona lebenswert für alle zu gestalten. Die großen Entscheidungen werden zwar meistens auf anderer Ebene gefällt (Schließung des Altonaer Fern- und Regionalbahnhofs, Verkauf der Kleingartenflächen und sogar der Abriss des Bismarckbades), aber im Zusammenwirken mit den Bürgerinitiativen vor Ort kann man mitunter auch mal dem Senat ganz kräftig vor‘s Schienbein treten.
Wie stehen Sie zu Bürgerbegehren und Volksabstimmungen?
Unsere Partei und ich persönlich haben fast alle Bürgerbegehren und -entscheide in Altona nach Kräften unterstützt und es auch respektiert, wenn es anders kam als wir wollten, was allerdings bislang nur bei IKEA der Fall war. Mein größter Wunsch wäre ein erfolgreicher Volksentscheid zur Abschaffung der Hamburger Einheitsgemeinde, der Altona wieder ein gewisses kommunales Selbstbestimmungsrecht erbrächte.
Welche Erfolge Ihrer Fraktion in der Bezirksversammlung Altona sehen Sie?
Im Zusammenwirken mit der Bürgerinitiative haben wir — zumindest für's Erste — die geplante sechsgeschossige Bebauung des Spritzenplatzes verhindert. Die Beschlagnahmung des viele Jahre leerstehenden Bürokomplexes am AIbert-Einstein-Ring mit dem Ziel des Umbaus zu Wohnungen haben wir jahrelang vergeblich gefordert, bis es dann auf einmal doch ging und nunmehr dort Flüchtlinge sehr viel besser als in Zelten oder Baumärkten untergebracht sind. Wie groß der eigene Anteil an solchen Resultaten ist, ist schwer zu messen, aber wer sich nicht bewegt, kann auch nichts bewegen.
Robert Jarowoy wurde vom Revolutionär und linken Verleger zum Kommunalpolitiker der Linken. Was er in der Hamburger Bezirkspolitik erlebt, verarbeitet er in Krimis.
Sagt, er stehe immer zu dem, was er gemacht habe: Robert Jarowoy. Bild: Ulrike Schmidt
taz: Herr Jarowoy, gerade ist Ihr Buch „Die Prinzessin und der Schnellläufer“ neu verlegt worden. Ein Buch, dass Sie Ende der 70er Jahre in Isolationshaft geschrieben haben. Der Textem Verlag hält es für ein Muss für alle, die wissen wollen, warum das Che-Guevara-Poster immer noch in Ihrer Küche hängt. Was bedeutet das Buch für Sie persönlich?
Robert Jarowoy: Es ist ein Buch aus Zeiten, als Revolution noch unter Linken ein Tagesthema war und nicht nur Wahlergebnisse. Als die weltweite Bewegung vor allem von Studenten für eine neue und gerechte Gesellschaftsform entstanden ist, die gegen den Krieg, wie man ihn in Vietnam gesehen hat, und gegen die Diktaturen, die im Auftrag des Imperialismus – ich benutze dieses Wort immer noch – installiert wurden. Der Kampf gegen diese Regime wurde in einigen Ländern auch bewaffnet geführt. Er stellte sich als eine Option dar, wenn man nicht einfach im Sessel vom Wohnzimmer aus zusehen wollte.
Sie sind im Zusammenhang mit der anarchistisch orientierten „Bewegung 2. Juni“ 1973 verhaftet worden. Warum schrieben Sie?
Ich saß von 1973 bis 1977 in Isolationshaft in Frankfurt. Wie die meisten Romane ist er geschrieben, weil man irgendetwas für sich verarbeiten und weil man es für andere zugänglich machen möchte. Im Gefängnis gab es eine Methode, die damals sensorische Deprivation genannt wurde – der Entzug der sensorischen Reize. Diese Methode hatte den Zweck, einen in seiner Persönlichkeit zu destabilisieren und zerbrechen.
Was heißt das konkret?
In modernen Gefängnisanlagen, wie Frankfurt-Preugesheim und Stuttgart-Stammheim sind die Zellen eigentlich alle identisch und nur durch die Wasseranschlüsse spiegelverkehrt. Ich wurde dann immer wieder und gerade zu systematisch in spiegelverkehrte Zellen verlegt. Dazu kam, dass die Fenster Sichtblenden hatten, sodass man irgendwann nicht mehr weiß, wo man eigentlich ist. Dagegen half mir das Schreiben, denn so konnte ich mich in eine Fantasiewelt flüchten. Man schlüpft in eine Person hinein und ist auf eine Art nicht mehr in der Zelle.
Robert Jarowoy
60, ist auf einer Hühnerfarm in Gauchsmühle bei Nürnberg geboren und studierte Philosophie und Geschichte. Er wurde als 20-Jähriger als "anarchistischer Gewalttäter" im Zusammenhang mit der "Bewegung 2. Juni" verhaftet.
Inhaftiert war Jarowoy von 1973-1979, davon vier Jahre in Isolationshaft. Seit 1980 lebt er in Altona.
Mitte der 90er Jahre war er fast zehn Jahre lang Geschäftsführer der "Stadt-Land-Genossenschaft", einem regionalen Lieferverbund einer Gruppe ökologisch wirtschaftender Bauernhöfe.
Seit 2008 ist er in der Bezirksfraktion der Linken in Hamburg-Altona.
Und wie war es jetzt, nach 40 Jahren, die eigene Geschichte aus dieser Zeit wieder zu lesen?
Ich habe das Buch, nachdem ich es veröffentlicht hatte, nie wieder gelesen. Erst jetzt, als ich die Korrekturen gelesen habe. Es sind natürlich viele Erinnerungen hoch gekommen. Ich bin jemand, der seine Geschichte nicht verdrängt hat. Ich stehe immer zu dem, was ich in meiner Entwicklung, seit ich mich 1967 politisiert habe, gemacht habe. Auch wenn es in den unterschiedlichen historischen Phasen unterschiedliche Wege waren.
Und heute sind Sie als Bezirksparlamentarier in Hamburg- Altona gelandet…
Dass ich heute in einer Partei gelandet bin, wo ich mich früher immer als Anarchist verstanden habe, ist eine Merkwürdigkeit. Aber es hat eben bestimmte Gründe. Der Kampf in Initiativen, zu denen ich mich immer noch zugehörig fühle, hat mir gezeigt, wie problematisch es ist, wenn die wieder verschwinden und ein Loch entsteht – wie bei der Initiative zum Erhalt des Bismarckbades oder für den Kemal-Altun-Platz in Ottensen. Da war die Frage, eine Kontinuität herzustellen und deswegen habe ich mich der Linken angeschlossen. Das hat zumindest den Vorteil, dass man an bestimmte Informationen kommt.
Nun lässt sich allein von linker Politik schlecht leben…
Als ich aus dem Knast kam, wollte ich als Lektor tätig werden. Der Verlag machte aber gerade Pleite. Dann hatte ein Bekannter die Idee, dass ich doch selber einen Verlag gründen könnte und bei alten Genossen, die inzwischen irgendwas geworden sind, nach 500 Mark fragen sollte. Da sind dann einige Tausend zusammengekommen, mit denen ich 30 Titel mit ihren Beständen aufgekauft habe. Dann haben wir mit Freundinnen und Freunden Bücher im Verlag Libertäre Assoziation verlegt. Wir haben auch einen Knast-Ratgeber und andere Sachbücher über Gorleben und internationalistische Themen herausgegeben.
In den letzten Jahren haben Sie fünf Krimis zur Kommunalpolitik geschrieben. Beruhen die auf Ihren realen Erfahrungen?
Es ist schon so, dass ich von Leuten angesprochen wurde, warum ich schon 2005 wusste, dass das Altonaer Museum geschlossen werden soll. Das ist dann 2010 beinahe eingetreten und ich habe das sozusagen vorweggenommen. Ich wusste das natürlich nicht, aber es war naheliegend. Bisher ist das, was ich geschrieben habe, oft eingetreten. Es ist aber nicht so schwer, die Entwicklungen vorherzusehen, wenn man weiß, wie die Politik läuft.
Bekommen Sie schon mal Ärger, wenn sich da irgendein Altonaer Akteur in Ihren Romanen wiederfindet?
Der Erzschurke heißt bei mir Norbert Czesla und ich glaube, in Altona weiß jeder, der mit Kommunalpolitik zu tun hat, dass damit der CDU-Fraktionsvorsitzende Uwe Szczesny gemeint ist. Der kam mal auf mich zu und sagte: ’Herr Jarowoy, ich mach Ihnen einen Vorschlag, ich verklage Sie wegen Verleumdung, dann wird das Buch ein richtiger Renner und wir teilen uns die Einnahmen.‘ Ich glaube schon, dass meine Aussagen sicher nicht auf Begeisterung treffen, aber jeder weiß, dass er sich eher lächerlich macht, wenn er mich deshalb verklagen würde.
Seit fünf Jahren sind Sie in der Bezirkspolitik, haben Sie sich inzwischen mit Ihren Kontrahenten angefreundet?
Nein, angefreundet bestimmt nicht. Aber mit den Jahren und wenn man mit den Leuten mehrmals in der Woche zusammensitzt, entsteht eine gewisse persönliche Verbundenheit, die merkwürdig ist. Das ist keine Freundschaft, dafür sind die politischen Widersprüche zu groß, die wir als Linke da zu allen anderen Parteien haben.
Der Bundestagsabgeordnete der Linken Norman Paech hat das mal „Raumschiff Bundestag“ genannt, nachdem er vier Jahre dort verbracht hat. Das man sich in einem merkwürdigen Raum bewegt und denkt, dass diese komische parlamentarische Ebene, auf der vieles einfach Theater ist, etwas Wesentlicheres ist als das, was auf der Straße und in der Gesellschaft tatsächlich passiert. Das rückt in den Hintergrund, weil man tagein, tagaus mit dieser Form der Politik befasst ist. Davon kann sich niemand frei halten, deshalb sollte man sich immer fragen, was eigentlich wichtig ist.
Das spricht gegen die Partei?
Es ist aber so, dass das, was dort entschieden wird, natürlich nicht ohne Bedeutung ist. Bebauungspläne haben ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen, auch wenn wir als kleine Oppositionspartei die Sachen nicht gerade entscheidend beeinflussen können. Wir können aber bestimmte Sachen in die Öffentlichkeit bringen und zusammen mit Initiativen einen gewissen Druck ausüben. Manchmal haben wir Entwicklungen in eine bestimmte Richtung beeinflusst, zum Beispiel die soziale Erhaltenssatzung.
Wir reagieren die Parteien auf Ihre politische Biografie?
Da es heute das Internet gibt, ist meine Biographie sicher bekannt, zum Beispiel dass ich mit Fritz Teufel zusammen Bücher geschrieben habe. Nun ist das aber 40 Jahre her und es hat nicht so furchtbar viel mit der Tagespolitik zu tun, was man gemacht hat, als man 20 war. Bei den jüngsten Lesungen zu „Die Prinzessin und der Schnellläufer“ habe ich bemerkt, dass es eher ein historisches Interesse von jungen Leuten gibt. In jungem Alter war es für mich hochinteressant mit Leuten zu sprechen, die den Faschismus miterlebt haben, da hingen wir an den Lippen dieser wenigen, die bereit waren, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die meisten blockten damals ja völlig ab.
Sie halten es für sinnvoll, in die Bezirksarbeit so viel Zeit zu investieren?
Im Bereich Stadtplanung können Abgeordnete in den Bezirken durch die Aufstellung von Bebauungsplänen und die Genehmigung von Bauvorhaben noch am meisten mitreden. Natürlich kann ich als Mitglied einer kleinen Oppositionspartei nicht viel bewegen. Aber ich bin auch in der Kurdistan-Solidarität mit internationalistischen Themen, die über diese Kommunalpolitik weit hinausgehen, befasst. Sodass ich jetzt auch wieder, wie ich es seit 20 Jahren mache, mit einer Menschenrechtsdelegation nach Kurdistan fahre. Das ist für mich sehr wichtig.
Kommunalpolitik ist nichts für junge Leute, verständlicherweise, weil die noch nicht wissen, wo sie in ihrem Leben bleiben werden. Aber ab einem bestimmten Alter hat man sich irgendwo eingerichtet und möchte sich für das Leben an diesem Standort einsetzen. Machmal frage ich mich, ob das den Zeitaufwand und die Nerven lohnt, der dafür erforderlich ist. Ich habe mich aber dafür entschieden.